Nichts als Blau, der Himmel, das Meer. - dolomitenstadt

2023-02-05 17:33:12 By : Mr. John Chang

Endlich sind wir wieder auf Tour und schippern über den Atlantik in Richtung Patagonien!

Im März 2020 müssen wir unsere Fahrradreise, die uns in neun Monaten von Österreich bis in den Iran und Oman gebracht hat, wegen Corona abbrechen und überstürzt den Iran verlassen. Bereits im Flugzeug Richtung Europa schmieden wir neue Reisepläne. Dementsprechend endet unser letzter Blogeintrag: „Denn eines ist für uns ganz klar: sobald es die Umstände erlauben, wollen wir wieder raus in die Welt. Wahrscheinlich geht sich der Pamir Highway diesen Sommer [2020] nicht mehr aus. Dann fangen wir eben im Herbst von der anderen Seite an. Nach Patagonien wollten wir so oder so.“

Im Herbst 2020 ist an ein unbeschwertes Weiterreisen nicht zu denken. Nach einem halben Jahr des Wartens beschließen wir, die Wohnung doch etwas gemütlicher einzurichten. Das alte Sofa fliegt raus, ein afghanischer Teppich muss her. Ein paar Bilder an die kahlen Wände, zwei Nähmaschinen für mich und ein paar Schrottfahrräder für Ferdi zum Herrichten. So wird aus unserer Übergangslösung ein dauerhafteres Provisorium. Wir suchen uns Arbeit und können endlich das zurückgeben, was wir auf unserer Reise an Gastfreundschaft erfahren haben. Über Warmshowers, einem Netzwerk für Radreisende, bekommen wir Besuch von zahlreichen Radler:innen, denen wir für ein, zwei Tage ein gemütliches Zuhause bieten und mit denen wir Reiseerfahrungen austauschen. Warmshowers funktioniert ähnlich wie Couchsurfing. Es geht dabei nicht vorwiegend um einen gratis Schlafplatz, sondern viel mehr darum, in Kontakt mit Menschen vor Ort zu kommen und deren Lebensumstände kennenzulernen.

So vergehen zweieinhalb Jahre Reisepause, in denen wir immer wieder über die Weiterreise nachdenken. Eigentlich wären wir gerne erneut in den Osten geradelt um dann beim zweiten Anlauf unseren Sehnsuchtsort Pamir Highway zu erkunden. Doch sehr schnell müssen wir feststellen, dass dieses Vorhaben im Jahr 2022 nicht machbar ist. Kriege, alte und neue Grenzkonflikte, Unruhen und geschlossene Grenzen machen es uns unmöglich, an eine unbeschwerte Reise in den Osten – wie wir sie 2019 erleben durften – zu denken. Wie war das noch mal? „Dann fangen wir eben im Herbst von der anderen Seite an. Nach Patagonien wollten wir so oder so.“

Nun sitze ich hier an Deck der MSC Musica, dem Kreuzfahrtschiff, das uns binnen drei Wochen von Monfalcone nach Buenos Aires bringt. Die Sonne strahlt auf mein blasses Gesicht, das sich erst wieder an den Sommer gewöhnen muss. Das Rauschen des Meeres zerrissen durch das stetige Brummen des gigantischen Schiffes. Nichts als Blau, der Himmel, das Meer. Nur ein paar weiße Wolken dazwischen. Ich mag sie, diese Eintönigkeit. Endlich Zeit die Gedanken schweifen zu lassen. Die letzten Tage oder vielmehr Wochen der Vorbereitung waren auch diesmal sehr stressig.

Ihr fragt euch jetzt sicher: Was um alles in der Welt machen Marlen und Ferdi auf einem Kreuzfahrtschiff? Ich stelle mir diese Frage selbst fast täglich. Doch schlussendlich ist es für uns derzeit die beste Möglichkeit, über den Atlantik zu kommen. Fliegen wollen wir nicht. Wir bevorzugen das langsame Reisen. Ursprünglich wollten wir die Ozeane der Welt per Frachtschiff überqueren. Doch wegen Corona nehmen die Frachter keine Passagiere mit. So blieb uns nur das Flugzeug. Bis ich durch Zufall auf die Idee mit dem Kreuzfahrtschiff gestoßen bin.

Drei Wochen Kreuzfahrt inklusive Verpflegung und Unterkunft sind kaum teurer als ein Flugticket. Aber darf man ein Fahrrad mitnehmen? Telefonisch konnte man uns keine Auskunft geben, unsere Mailanfragen blieben wochenlang unbeantwortet. An dem Tag, als wir uns dazu durchgerungen hatten, einen Flug zu buchen, kam ganz plötzlich die langersehnte Nachricht: Wir können die Räder auf dem Schiff mitnehmen! Was für ein Glück! Wir buchen sofort. Eine Außenkabine mit Meerblick mit Sichteinschränkung.

Am 13. November ist es dann soweit. Meine Eltern liefern uns mitsamt unseren Rädern und Packtaschen in Monfalcone, in der Nähe von Triest, ab. Am Hafen geht es hektisch zu, sodass die Verabschiedung leider sehr schnell und überstürzt ausfällt. Das Hafenpersonal blickt erstaunt auf unsere Fahrräder und schüttelt erst einmal den Kopf. Nach ein paar Telefonaten kommt das OK und wir können unser Gepäck in den Shuttlebus laden. Das Schiff liegt keine 500 Meter von uns entfernt, trotzdem müssen wir den Shuttlebus benutzen. Am Hafengelände ist es nicht gestattet sich selbstständig zu bewegen.

Da unsere Räder nicht in den Bus passen, wird es gleich abenteuerlich. Am Beifahrersitz sitzend strecke ich meine Arme durchs offene Fenster und halte mein Fahrrad am Lenker fest, welches langsam neben dem Bus her rollt. Gut, dass die Strecke kurz ist. Die Einschiffung verläuft chaotisch. Wir schlängeln uns durch viele Menschen mit noch mehr Koffern und werden von allen neugierig begutachtet. Es kommt wohl nicht so oft vor, dass hier jemand mit Fahrrad in der Warteschlange steht.

Schließlich gehen wir mitsamt unseren Rädern an Bord. Diese werden noch auf Spuren von Sprengstoff untersucht und anschließend in einem Abstellkammerl versperrt. Auf zur Kabinensuche! Im 8. Stock oder auf Deck 8, wie es auf dem Schiff heißt, finden wir unsere Kabine Nr. 8114, von deren Geräumigkeit wir positiv überrascht sind. Vor unserem Fenster hängt ein Rettungsboot, aber wenn man auf dem Bett steht, kann man sogar das Meer sehen. 

Es wird Zeit, das Schiff zu erkunden! Fast ganz oben, auf Deck 13 finden wir das Buffet Restaurant, in dem es beinahe rund um die Uhr etwas zu Essen gibt. Daneben im Außenbereich gibt es zwei kleinere Pools und vier Whirlpools. Es folgen ein Fitnessstudio, Minigolf, ein Sportplatz für Tennis und Basketball, der Wellness- und Beautybereich mit Sauna, Friseur und allem möglichen anderen Lebensnotwendigem. Weiter unten im Schiff befinden sich zwei Restaurants, Casino, Bibliothek (ohne Bücher, aber ein paar Sudokus liegen in der Ecke), Raucherraum, einige Geschäfte und Bars.

Das Restaurant besuchen wir nur am ersten Abend, an allen weiteren gehen wir lieber ans Buffet. Dort ist es unkomplizierter. Man kann kommen wann man möchte, sich hinsetzen wo man möchte, sich so viel oder wenig Essen nehmen wie man möchte und es gibt Wasser, Tee und so etwas wie Kaffee zur freien Entnahme. Außerdem herrscht keine Kleidervorschrift. Insgesamt ist das Leben am Kreuzfahrtschiff gar nicht so schickimicki, wie wir uns das vorgestellt haben. Zumindest nicht auf diesem Schiff. Natürlich sind da so manche Damen und Herren, die sich jeden Abend herausputzen, als würden sie auf den Opernball gehen, aber der Großteil schert sich recht wenig um sein Äußeres. Das finden wir gut! Vorher dachten wir noch, dass wir auffallen würden, wenn wir jeden Tag das Selbe anhaben, aber tatsächlich interessiert das niemanden. 

Von den 2000 Passagieren kommt gut die Hälfte aus Argentinien und somit ist die Hauptsprache am Schiff spanisch. Inklusive Besatzung sind rund 3000 Menschen an Bord. Dementsprechend ist es beim Frühstück gar nicht so einfach, einen Platz zu finden. Dafür teilt man sich mit den unterschiedlichsten Leuten den Tisch und kommt ins Gespräch. Immer wieder werden wir von unbekannten Gesichtern angelächelt und merken schnell, dass wir bereits zum Gesprächsthema am Schiff geworden sind.

Viele Mitreisende haben uns bereits bei der Einschiffung mit unseren Rädern entdeckt und sind ganz neugierig darauf, zu erfahren, was wir vorhaben. Auf unsere Ausführungen folgt zuerst ein verständnisloser Blick, bis sie ganz sicher sind, dass sie auch richtig verstanden haben. Dann kommt das Erstaunen und die vielen Fragen. Wohin? Warum? Wie finanziert ihr das? Wie lange? Und dann die Begeisterung und Glückwünsche für unsere Reise. So haben wir viele nette Menschen kennengelernt, die meist selbst schon viel gereist sind und einiges erlebt haben. Dieser Austausch zählt zu den schönsten Erlebnissen während unserer Schiffsreise. 

Das Schiff legt auf dem Weg nach Buenos Aires einige Zwischenstopps ein und wir haben jeweils ein paar Stunden Landgang, um diese Städte zu erkunden. Am dritten Tag legen wir in Syrakus auf Sizilien an. Der Pier für Kreuzfahrtschiffe liegt fast immer direkt im Zentrum. So können wir alles ganz leicht zu Fuß erkunden. Syrakus ist gleich einer der Highlights unserer Landgänge. Ferdi ist vor über 15 Jahren von Österreich bis ganz runter nach Sizilien geradelt und hat ein Jahr dort gelebt. Deshalb kennt er die Gegend sehr gut und schwärmt immer vom Leben auf der sonnigen Insel. Viele schmale Gassen prägen das Stadtbild.

Auf den Balkonen und am Straßenrand wachsen Kakteen und andere Pflanzen, die sich im trockenen Klima wohl fühlen. Auch die ersten Palmen säumen unseren Weg. An den Marktständen locken uns eine riesige Vielfalt an frischem Gemüse, pralle Kakis und natürlich jede Menge frischer Fisch. Nach ein paar Stunden sind wir zurück am Schiff, welches wie ein Gigant im Hafen der Stadt liegt. Wir stehen auf dem obersten Deck und blicken auf die historische Altstadt von Syrakus hinab, die uns im Sonnenuntergang goldgelb entgegenleuchtet. Der Blick vom Meer aus auf die Stadt beim langsamen Ein- und Auslaufen ist schon etwas Besonderes.

Nächster Halt: Palermo. Wir gehören zu den Wenigen, die nach den Landgängen ohne volle Einkaufstaschen an Bord gehen. Viele Passagiere kommen nicht nur mit einer, sondern gleich mit mehreren Taschen voll Souvenirs und Modeartikeln aus der Stadt zurück. Manche haben sogar noch einen extra Koffer gekauft um alles unterbringen zu können. 

Bisher ist das Meer erstaunlich ruhig, es schaukelt kaum. Nach einem Stopp in Alicante nähern wir uns Gibraltar. Rechts der Felsen, links der Berg Dschebel Musa in Marokko, die zwei Säulen des Herakles. Nur 15 Kilometer trennen Europa von Afrika. Vor ein paar Jahren bin ich drüben gestanden in Marokko und habe hinüber geschaut, zum Tor Europas. Vor der Entdeckung Amerikas war hier die lateinische Inschrift „Non Plus Ultra“ zu lesen. Dieses „Nicht mehr weiter“ markierte das Ende der Welt. Jetzt heißt es „Plus Ultra“. Auch wir wollen weiter, viel weiter.

Nach einem Landgang auf Lanzarote verschwinden die Inseln langsam hinter uns am Horizont. Vor uns nur noch Meer. Zum ersten Mal in meinem Leben überquere ich einen der großen Ozeane und bin richtig aufgeregt. Sechs Tage nichts als Wasser. 2935 nautische Meilen bis nach Brasilien.

Was macht man auf so einem Schiff Tag für Tag? Frühstück, Mittagessen, Abendessen und zwischendrin Kaffee und Kuchen. Zum Ausgleich verzichten wir auf den Lift und gehen alles zu Fuß. Dazu jeden Tag ein paar Runden Powerwalking auf Deck 13. In der Früh, wenn noch nichts los ist, gehen wir schwimmen und kurz ins Fitnessstudio. Die Zeit vergeht erstaunlich schnell. Martin, unser Steward, kümmert sich zweimal täglich um die Reinigung unserer Kabine und überreicht uns abends das Programm für den nächsten Tag. Es ist immer dasselbe: Irgendwelche tollen Angebote in den Uhren- und Juweliershops, viele tolle Spiele mit der Crew und mindestens dreimal am Tag Tanzunterricht und Stretching. Untertags wird es jetzt eng um den Pool. Überall liegen und sitzen Leute, es ist laut und richtig heiß, ohne Schatten bereits früh morgens kaum mehr auszuhalten. Wir kommen dem Äquator immer näher. Jeden zweiten Tag müssen wir die Uhr eine Stunde zurück stellen, die Sonne geht bereits vor 5 Uhr auf. 

Wenn mir hier an Bord alles zu viel wird, ich meine Ruhe brauche und nicht in der Kabine sitzen will, gehe ich hinunter auf Deck 7. Dort gibt es einen Gang im Freien, meistens ein ruhiger Ort, der zum Füße vertreten genutzt wird. Ich liebe es, hier an der Reling zu stehen und den Blick aufs Meer hinaus zu werfen. Ich schaue hinab auf das aufschäumende Wasser, das seine Farbe beständig von dunkelblau über türkis in weiß ändert. Das Zischen des Schaums, das dabei entsteht, verursacht ein leichtes Kribbeln in mir. Das Meer wirkt unendlich kraftvoll, anziehend, unheimlich und einfach unfassbar schön. Stundenlang könnte ich die Wellen und den unveränderten Horizont betrachten und es breitet sich eine angenehme Ruhe in mir aus. Eine Ruhe, die bei 3000 Mitreisenden auf diesem Schiff nicht immer leicht zu finden ist.

Der Äquator ist überquert, wir befinden uns nun auf der südlichen Hemisphäre. Das Schiff hält Kurs Richtung Brasilien. Nach sechs Tagen sehen wir wieder Land am Horizont, wir laufen Salvador de Bahia an.

In eine andere Kultur einzutauchen ist nie einfach. Als wir zu Fuß den Hügel hinauf in die Oberstadt gehen wollen, werden wir sogleich von Polizisten Richtung Aufzug verwiesen. Der Weg wirkt etwas verfallen. Oder ist die Gegend zu unsicher? Natürlich wird man ständig vor dem gefährlichen Südamerika gewarnt. Man könnte meinen, in der Stadt lauert hinter jeder Ecke ein Räuber. Wir kennen diese Vorurteile zur Genüge. Wie oft wurden wir vor dem gefährlichen Nachbarland gewarnt, in das wir als nächstes reisten und jedes mal haben wir genau das Gegenteil erfahren. Auch diesmal wollen wir uns nicht zu sehr verunsichern lassen, aber ein bisschen Vorsicht ist schon angebracht. Abends am Schiff kursieren dann die Geschichten von den überfallenen Mitreisenden. Klar, wenn man mit einer gut sichtbaren Kette um den Hals durch die Gegend läuft und sonstigen Schmuck präsentiert, schafft man Gelegenheiten.

Wir nehmen den Aufzug in die überschaubare Altstadt mit ihren zahlreichen Kirchen und Kolonialbauten. Am besten gefallen uns die vielen Paläste aus vergangenen Tagen, die größtenteils verfallen und von tropischen Pflanzen überwuchert sind. Wir sind genau zur richtigen Zeit gekommen. Heute spielt Brasilien bei der Fußballweltmeisterschaft und wir befinden uns mitten in einem Public Viewing. Vor der Leinwand fängt gerade die weltbekannte Sambatruppe von Olodum zu trommeln an. Alles ist in gelb-grün getaucht, die Stimmung ist ausgelassen, die fröhlichen Brasilianer:innen wissen, wie man tanzt. Salvador de Bahia ist nach São Paulo und Rio de Janeiro die drittgrößte Stadt Brasiliens und war bis 1763 dessen Hauptstadt. Durch den regen Sklavenhandel in der Kolonialzeit sind viele Menschen aus Afrika hierher verbracht worden, was sich bis heute in der Bevölkerung widerspiegelt. Salvador ist richtig bunt!

Nach einem weiteren Seetag legen wir einen zweiten Stopp in Brasilien ein. Rio de Janeiro, die Stadt des Karnevals, die Stadt mit dem größten innerstädtischen Nationalpark weltweit, mit den berühmten Stränden von Copacabana und Ipanema, der Christusstatue und dem Zuckerhut liegt vor uns. So viele Sehenswürdigkeiten die man gesehen haben sollte. Uns ziehen solche touristischen Orte eher weniger an, aber ich erinnere mich an ein Zitat von  Stefan Zweig: „Es gibt – wer sie einmal gesehen, wird mir nicht widersprechen – keine schönere Stadt auf Erden.“ Auch uns hat diese Großstadt, die wir normalerweise eher meiden würden, überrascht.

Gerne hätten wir etwas mehr Zeit in Rio verbracht. Leider haben wir wieder nur ein paar Stunden und teilen uns einen Minivan samt Guide mit anderen Passagieren vom Schiff. Vom Hafen geht es durch die Stadt, vorbei am berühmten Maracanã Stadion und über eine schmale Serpentinenstraße auf den Corcovado. Hin und wieder erhaschen wir einen Blick auf die Stadt und ihre Favelas, die direkt an die Hügel gebaut sind. Rund herum dichter Dschungel und satte Grüntöne, die man von zu Hause nicht kennt. Jackfruits hängen von lianenumschlungenen Bäumen herab.

Auf der Spitze des 710 Meter hohen Berges thront die weltbekannte Christusstatue „Christo Redentor“. Über Lift, Rolltreppen und Stiegen gelangen wir zum Sockel der Statue. Natürlich sind wir nicht alleine, trotzdem schaffen wir es zumindest kurz bis ganz nach vorne zur Aussichtsplattform, um den wunderschönen Blick auf die Stadt zu genießen. Nach 20 Minuten geht es schon wieder weiter, runter vom Berg, am Zuckerhut vorbei und zum vier Kilometer langen Sandstrand von Copacabana. Das Meer ist stürmisch und kalt. Gemeinsam mit Inga und Sven, einem netten deutschen Ehepaar, das wir am Schiff kennengelernt haben, trinken wir Caipirinha und lassen es uns gut gehen. Zurück am Schiff stehen wir wieder einmal ganz oben am offenen Deck und blicken mit vielen positiven Eindrücken zurück auf Rio de Janeiro. Langsam verlassen wir die Bucht. 

Es vergehen zwei Seetage bis wir Montevideo erreichen. Ein kurzer Spaziergang durch die ruhige, saubere und unaufgeregte Stadt genügt uns. Als schönes Abschiedsgeschenk beglückt sie uns mit dem prächtigsten Sonnenuntergang der gesamten Überfahrt. Wie Hansi Lang so schön singt: „In Montevideo scheint die Sonne so rot.“

21 Tage nach unserem Aufbruch ist es soweit, wir erreichen unseren Zielhafen in Buenos Aires. Endlich Argentinien! Nach einem letzten ausgiebigen Frühstück schieben wir unsere Fahrräder von Bord. Die Einreise funktioniert problemlos und sehr schnell. Jetzt heißt es erst mal umpacken. Für die Schiffsreise haben wir einen Großteil unserer Sachen in zwei Reisetaschen verstaut, um sie besser tragen zu können. Nun müssen wir all unser Hab und Gut in den Fahrradtaschen verstauen. Danach schwingen wir uns auf unsere Räder und radeln, noch etwas wackelig, in Richtung unserer ersten Warmshower-Unterkunft. 

Wir sind froh, dass wir uns für die Anreise per Schiff entschieden und diesen langen Weg auf uns genommen haben. Es ist schön, die Distanzen zu spüren und ein Gefühl zu bekommen, wie groß unsere Welt ist. Aber wir sehen auch die negativen Seiten einer solchen Reise. Ökologisch gesehen ist ein Kreuzfahrtschiff nicht besser als ein Flugzeug. Die riesigen Schlote stoßen tiefschwarzen Ruß aus, den man auch am Schiff riechen kann. Liegt das Schiff im Hafen, wehen diese Abgase direkt in die anliegende Stadt. Wir können oder wollen uns nicht vorstellen, wieviel Essen jeden Tag am Schiff weggeworfen wird. Gerade am Buffet wird viel zu viel auf die großen Teller geschaufelt und nur ein Bruchteil davon gegessen. Kaum etwas an so einer Kreuzfahrt ist nachhaltig, aber schlussendlich muss jeder selbst entscheiden. Für uns war es ein willkommenes, langsames Taxi nach Südamerika.

Marlen aus Lienz und Ferdi aus Salzburg sind wieder mit ihren Rädern unterwegs. 2019 radelten die beiden in neun Monaten von Lienz aus mehr als 11.000 Kilometer durch 14 Länder bis in den Iran, bevor sie von Covid gestoppt wurden. Die aktuelle Reise führt unser Paar von Patagonien nordwärts quer durch Südamerika. Alle Etappen – auch der bisherigen Reisen – haben wir in einer eigenen Serie „Marlen & Ferdi“ zusammengefasst.

Copyright für alle Reportagen und Bilder: Marlen Schieder.

Zwei moderne „Nomaden“ erzählen, wie man fast ohne Geld um die Welt radelt und wie sich diese Freiheit anfühlt. 

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